Mit oder ohne Vorstellungslenkung

Irgendwann im Verlauf meiner Schulzeit hatten wir einen Jesuitenpater als Religionslehrer. Er gab uns eine Einführung ins Autogene Training. Es sprach mich sehr an und eigentlich suchte ich seit dieser Zeit nach einem Lehrer, bei dem man irgendwie mehr in dieser Richtung lernen könnte.

Außerdem hatte ich damals eine Fußwarze. Ich hatte versucht, ihre einzelnen Fasern mit der Pinzette auszuzupfen, aber das blutete. Insgesamt war sie sehr schmerzhaft, v.a. beim Gehen. Es wird wohl eine Dornwarze gewesen sein.

Eines Tages kam eine Schulkameradin morgens in die Klasse und verkündete lautstark an alle: „Ey, ich weiß, wie man Warzen wegbekommt! – Man sagt einfach ‚Warzenaas, verschwinde!‘, dann geht sie weg!“ – Unmittelbar wusste ich, wie ich es mit meiner Warze versuchen könnte.

Also übte ich ab sofort abends vor dem Einschlafen die Entspannungsübungen unseres Religionslehrers. Sobald ich komplett entspannt war, richtete ich meine Aufmerksamkeit auf die Fußwarze und dachte dabei: „Warzenaas, verschwinde!“. Daraufhin begann sie heftig zu pochen und ich schlief ein. So verfuhr ich mehrere Abende in Folge. – Und siehe da: bald begann sie, sich zu verändern, sie schien auszutrocknen. Schon wenige Tage später konnte ich die ‚Dornen‘ einzeln auszupfen, ohne dass es schmerzte, ohne dass es blutete: meine Methode hatte das kranke Gewebe abgestoßen.

Viele Jahre später hatte ich wieder irgendwelche Hautverdickungen an einer Fußsohle, im vorderen Bereich, in der Nähe der Zehen. Diesmal waren sie kleiner und schmerzten nicht. Darum machte ich mir hierzu keine weiteren Gedanken. – Hornhaut hat man manchmal, wird schon wieder weg gehen…

Eines Tages, ich übte gerade Qigong im Stehen, hatte ich genau in diesem Bereich fürchterliche Schmerzen. Als würden mindestens zwei glühende Nägel durchs Fleisch getrieben. Es war kaum auszuhalten und nur die Disziplin bewog mich, weiter zu üben. Die glühenden Nägel schoben sich bis in zwei, drei Zehen nach vorne. Nach ein paar Tagen waren diese Schmerzen (die nur beim Üben auftraten) wieder verschwunden. Das Üben war stärker als vorher und sehr rund und angenehm.

Noch ein paar Tage später bemerkte ich, dass die Hornhautverdickungen in diesem Bereich zu verschwinden schienen. Man konnte sie einfach abkratzen. Nur an einer Stelle schien es etwas tiefer im Fuß verwurzelt. Am übernächsten Tag löste sich die Hornhaut auch hier. Ich puhlte etwas herum und konnte einen kompakteren, festen Klumpen in der Größe eines (großen bunten) Stecknadelkopfes herauslösen. In der verbleibenden kleinen Vertiefung war noch eine kleine Stelle zu sehen, in der er wohl im Gewebe verankert war. – Also waren das etwa auch Warzen gewesen? Vermutlich. Bis heute sind keine mehr nachgekommen.


Diese beiden Geschichten würde man mit der Theorie des Qigong folgendermaßen erklären:

1.) Das Blut folgt dem Qi und das Qi folgt der Vorstellung. Ich hatte meine Vorstellung zu der Dornwarze gelenkt, das Qi folgte und dann das Blut. Daher das Pochen. So konnten die Selbstheilungskräfte aktiviert und gelenkt werden und die Warze verschwand.

(Diese Methode wird im Westen in verschiedenen Systemen verwendet, das wusste ich mit 15 noch nicht.)

Übungen mit Vorstellungslenkung werden auch im Qigong oft eingesetzt. Sie haben jeweils ihr spezielles Ziel im Gesamtzusammenhang eines Übungssystems. Wenn das Ziel erreicht ist, wird diese Vorstellung überflüssig. Allerdings sind Vorstellungslenkungen nicht jedermanns Ding. Auch ist ihr Erfolg abhängig vom Grad der Entspannung und Konzentration und von der Qi-Stärke des Übenden.

2.) Das Qigong im Stehen, wie es die Dao Yuan Schule lehrt, wird ohne Vorstellungslenkung praktiziert. Durch regelmäßiges Üben wird das Qi immer stärker und irgendwann – wenn es ‚denkt‘, nun sei diese oder jene Sache an der Reihe – wird es versuchen, sich aus seiner eigenen, uns verborgenen Logik ans Werk zu machen. Das kann manchmal ziemlich schmerzhaft sein. Man nennt es ‚Qigong-Reaktion‘.

Je stärker das Qi, desto stärker die Selbstheilungskraft. – So die Theorie des Qigong.

Ausdrücklich darauf hinweisen muss ich Sie an dieser Stelle, dass es sich hier um einzelne, persönliche Erfahrungen handelt, die nicht verallgemeinerbar sind.

Bei Schmerzen oder anderen Krankheitssymptomen besuchen Sie bitte zur Diagnose und Behandlung einen Arzt oder Heilpraktiker!

 

Edith Guba