wei wu wei

Eine Schülerin hatte einer Freundin vorgeschlagen, doch auch einmal einen Kurs an der Dao Yuan Schule zu besuchen. Man würde hier einfach üben, ohne sich weiters viele Gedanken zu machen, ohne speziell in sich hinein zu spüren, ohne das Qi bewusst zu lenken – und wäre oft sehr erstaunt über die positiven Veränderungen, welche dies mit sich bringen kann.

Die Freundin blieb eher zurückhaltend. Auf die Rückfrage unserer Schülerin, warum sie so verhalten reagiere, antwortete sie: „Ach, ich mache doch auch schon Qigong. Wir lenken das Qi mit der Vorstellung und spüren in uns hinein. So kann ich meine Blockaden erkennen und weiß, was ich machen kann.“

– Doch, sicherlich, energetische Stauungen können wir auch in der Praxis des Fan Teng Gong erkennen. Sie machen sich bemerkbar durch ein Gefühl der Undurchlässigkeit in bestimmten Bereichen oder auch durch Schmerzen oder ähnliche Phänomene beim Üben. Das einzige, was wir dann ‚machen‘, ist weiter üben: das Qi wird diese Energiestaus schon auflösen.¹

Diese ‚Intelligenz der Selbstregulierung‘ des Qi beobachten wir an der Dao Yuan Schule sogar beim Aussenden: vor Kurzem hatten wir einen Kurs für Absolventen des Nei Jing Gong 3, um diese Fähigkeit zu trainieren. Eine teilnehmende Ärztin hatte in ihrer Praxis schon öfter mit Qi gearbeitet. Als gute Medizinerin arbeitet sie nach einem Behandlungsplan; sie hat also bestimmte Vorstellungen, welche gesundheitlichen Verbesserungen sie wie bei ihren Patienten erreichen will. Nun sollte sie das Aussenden von Qi einmal ohne derartige Vorstellungen versuchen und nur aussenden, nichts dabei denken. Vom Ergebnis: der Empfänger verspürte ihr Qi genau dort, wo er seine Schwachstellen wusste – war sie sehr erstaunt, regelrecht elektrisiert: „unglaublich!“ – Und: „Das ist ja für einen Arzt nicht so leicht umzusetzen, jemanden zu behandeln, ohne etwas dabei zu denken. Wirklich sehr erstaunlich.“ – Die ohne Denken, ohne Lenken erreichte Schwachstelle des Empfängers fühlte sich nach der ‚Behandlung‘ immer noch warm und leicht an.

wei wu wei: das nicht-tun tun. Ein zentraler Satz im Dao De Jing des Lao Zi. Im Qigong der Dao Yuan Schule kann er von Anfang an und auch auf hohem Niveau immer wieder neu erfahren werden.

Wu wei – nicht machen – entspringt dem Yuan Shen, unserem Ursprungsgeist. Seine Aktionen sind spontan und unvorhersehbar.²

You wei – machen – entspringt dem Shi Shen, dem Geist des Wissens und der zielgerichteten Aktion.²

Im traditionellen Qigong soll der Yuan Shen, der im Alltag oft etwas verkümmert, wieder gestärkt werden.

wu wei er wu bu wei: nicht tun und alles ist gut getan. (Wörtlich: nicht tun und nichts bleibt ungetan.)³

Diese Art des Handelns entspricht dem Dao, es entspringt nach Auffassung des Lao Zi und des Daoismus der selbstregulierenden Kraft der Natur.

Bringt man es im Qigong zur Entfaltung, kann es unter günstigen Umständen Heilung von Innen und die Anwendung heilender Kräfte im Äußeren ermöglichen.

In Qigongformen wie dem Fan Teng Gong und dem Nei Jing Gong greifen wir nicht in durch diese Übungen ausgelöste Zirkulationen ein: wir lenken sie nicht. Sie können anregend wirken auf die Kraft zur Selbstheilung und auf die Kraft, diese bei anderen zu stärken: eine Ergänzung medizinischer, naturheilkundlicher und psychotherapeutischer Verfahren.

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¹ Derartige Gefühle von ‚Stauungen‘ beim Üben des Fan Teng Gong können schon zu einem Zeitpunkt auftreten, zu dem wohl noch kein Arzt eine Krankheit diagnostizieren würde. Übt man weiter, kann die im Üben verstärkte Zirkulation des Qi sie auflösen. Vielleicht hätten sie sich auch von alleine wieder aufgelöst. Man weiss es nicht.

² Dies ist eine der zentralen Lehren des Daoismus.

³ Lao Zi, Dao De Jing, Kap. 48.